Der Übergang von Wissen bei personeller Nachfolge ist eine der größten Herausforderungen für Organisationen. Der Verlust eines langjährigen Mitarbeiters oder einer Führungskraft bedeutet oft nicht nur das Wegfallen der Arbeitskraft, sondern auch den Verlust wertvollen Wissens und Know-hows. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen vor der Entscheidung, welche Methoden sie zur Sicherstellung des Wissenstransfers nutzen sollten. Immer häufiger werden KI-gestützte Tools als moderne Lösung angepriesen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass das persönliche, strukturierte und extern moderierte Interview in vielen Fällen überlegen ist. Warum ist das so?
Tiefe des Wissens und Kontextverständnis
Ein persönliches, strukturiertes Interview, das von einem externen Moderator geführt wird, kann eine tiefere Erfassung von Wissen ermöglichen, da es auf die individuellen Erfahrungen und den Kontext des Mitarbeiters eingehen kann. Der Moderator hat die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen und Unklarheiten sofort zu beseitigen. Durch diese Art der Interaktion wird es möglich, implizites Wissen – also Wissen, das der Mitarbeiter vielleicht nicht direkt artikulieren würde – ans Licht zu bringen. Dies ist besonders wertvoll bei strategischen Entscheidungen oder bei der Handhabung komplexer Situationen.
KI-Tools hingegen basieren auf vorgefertigten Algorithmen und Datensätzen. Sie sind oft gut darin, explizites Wissen zu erfassen, wie Arbeitsanweisungen oder Prozessbeschreibungen, stoßen jedoch bei subtilen Details und dem „Warum“ hinter Entscheidungen an ihre Grenzen. Der Kontext, in dem Wissen genutzt wird, kann von KI oft nur unzureichend verstanden werden, während ein erfahrener Moderator die Gespräche flexibel anpassen kann, um genau diese Informationen zu erfassen.
Vertrauen und emotionale Intelligenz
Ein weiteres zentrales Element des persönlichen Interviews ist der menschliche Faktor. Besonders bei sensiblen Themen oder langjährigen Mitarbeitern, die viel emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen haben, spielt Vertrauen eine große Rolle. Der externe Moderator kann durch geschickte Gesprächsführung und Empathie eine Atmosphäre schaffen, in der sich der scheidende Mitarbeiter wohlfühlt und bereit ist, auch kritische oder sensible Informationen zu teilen.
KI-gestützte Tools haben keine emotionale Intelligenz. Sie erfassen Daten, aber sie können keine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Ein Mitarbeiter könnte zögern, persönliche oder sensible Themen in einem KI-System zu teilen, besonders wenn Unsicherheit darüber besteht, wie diese Informationen später genutzt werden könnten.
Flexibilität und Individualität
Jedes Unternehmen und jede Position ist einzigartig. Ein strukturiertes, extern moderiertes Interview kann flexibel an die spezifischen Anforderungen der Position und des Unternehmens angepasst werden. Die Fragen können dynamisch an den Gesprächsverlauf angepasst werden, und der Moderator kann bestimmte Themen tiefer ergründen, die vielleicht erst während des Gesprächs als relevant erscheinen.
Im Gegensatz dazu sind KI-gestützte Tools oft standardisiert. Sie folgen festgelegten Protokollen und Fragebögen, was zwar Effizienz bietet, aber wenig Raum für Anpassung lässt. Besonders bei komplexen Nachfolgen, wie z. B. bei Führungskräften, ist es wichtig, nicht nur technisches Wissen zu übertragen, sondern auch Einblicke in Entscheidungsprozesse, Unternehmenspolitik und zwischenmenschliche Dynamiken weiterzugeben – etwas, das eine KI schwer erfassen kann.
Interaktivität und Rückfragen
Während eines persönlichen Interviews gibt es die Möglichkeit, sofortige Rückfragen zu stellen oder auf bestimmte Antworten einzugehen, um Missverständnisse zu klären oder weiter ins Detail zu gehen. Diese Interaktivität fördert einen präziseren und umfassenderen Wissenstransfer. Der Moderator kann gezielt nachbohren, wenn er merkt, dass der Interviewte wichtige Details ausgelassen hat oder etwas unklar bleibt.
KI-gestützte Tools hingegen bieten nur eingeschränkte Interaktionsmöglichkeiten. Sie können zwar auf Basis von eingegebenen Informationen Folgefragen generieren, diese sind jedoch oft generisch und gehen selten über die Oberfläche hinaus. Die Tiefe der Antworten bleibt dadurch oft begrenzt.
Externer Blickwinkel
Ein externer Moderator bringt eine unvoreingenommene Perspektive mit und kann das Interview neutral führen. Er hat keine internen Interessenkonflikte oder Voreingenommenheiten, die möglicherweise die Qualität des Interviews beeinflussen könnten. Dies ermöglicht es dem Moderator, das Gespräch objektiver und zielgerichteter zu führen, als es bei einer internen Lösung der Fall wäre.
KI-Systeme, die von internen Daten trainiert werden, spiegeln jedoch oft die Kultur und bestehenden Strukturen des Unternehmens wider. Dies kann dazu führen, dass blinde Flecken oder festgefahrene Denkweisen unbemerkt bleiben und somit wichtige Aspekte des Wissens nicht angemessen hinterfragt oder erfasst werden.
Fazit
Trotz der Fortschritte im Bereich der KI und ihrer Einsatzmöglichkeiten bleibt der menschliche Faktor im Wissenstransfer von unschätzbarem Wert. Ein persönlich geführtes, strukturiertes und extern moderiertes Interview bietet durch die Interaktivität, emotionale Intelligenz und Flexibilität klare Vorteile gegenüber KI-gestützten Tools. Während KI sicherlich ihren Platz in der Erfassung von explizitem Wissen hat, bleibt der tiefere, kontextuelle und implizite Wissenstransfer weiterhin eine Domäne, in der der persönliche Kontakt unersetzlich ist.
Unternehmen, die bei personeller Nachfolge auf Qualität im Wissenstransfer setzen, sollten daher den Wert menschlicher Interaktion nicht unterschätzen und diese als essenziellen Bestandteil ihrer Strategie betrachten.
Quellen und weiterführende Literatur
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